#12 Von New York nach Chicago

Wir genießen das letzte Frühstück in NYC mit Blick von Staten Island auf Manhattans Skyline. Anschließend verabschieden wir uns von unserem Hotelier in New York, der so begeistert von unserem Vorhaben ist, dass er in den letzten Tagen privat für uns Mittagessen gekocht, unser Frühstück für uns um frisch gekochte Eier erweitert und immer wieder Zeit mit uns verbracht hat. Er schießt noch schnell ein Foto von uns, wie wir auf unseren Maschinen vor seinem Hotel posieren. Er würde gern mit diesem Foto auf seiner Internetseite für das Hotel werben – ok.

Unser nächstes Ziel ist der Badlands National Park mit seinen schroffen und bizarren Felsformationen im etwa 2.600 km entfernten South Dakota. Ein Blick auf die Karte verrät uns, dass die dorthin führenden Straßen ziemlich lang und ziemlich grade zu sein scheinen. Um ein Highlight in diese Durststrecke einzubauen, wollen wir über Chicago fahren, einen Blick auf die drittgrößte Stadt der Vereinigten Staaten werfen. Als wir an einer Raststätte einem interessierten Truckerfahrer von diesem Plan erzählen, reißt er die Augen weit auf, schaut uns ungläubig an und fragt uns, ob wir auf einem Freitagabend wirklich durch Chicago fahren wollen. Er sagt, es gäbe eine Umgehungsstraße, die um Chicago herumführe. Um diese Umgehungsstraße führe eine weitere Umgehungsstraße – diese sollten wir zur Sicherheit nehmen. Offensichtlich scheint Chicago seinen Ruf als Gangstermetropole noch immer nicht abgeschüttelt zu haben. Selbstverständlich nehmen wir die mahnenden Worte des Mannes ernst. Sie bestätigen uns aber auch darin, uns unser eigenes Bild von der Stadt zu machen.

Wir tasten uns langsam mit wachsamen Augen an den Stadtkern Chicagos heran. Als wir durch das pulsierende Barviertel fahren, kündigt sich die Hochbahn mit einem lauten Rattern an. Mit ohrenbetäubendem Lärm fährt sie über uns hinweg, versprüht ein ganz besonderes Flair und verschwindet langsam wieder in den Häuserschluchten. Es sieht toll aus, wie sich die bunten Lichter der Leuchtreklame in den silbernen Wagons spiegeln. Am Navy Pier zeigt sich die Skyline von Chicago – geprägt von seinen Wolkenkratzern und seinem bunt erleuchteten Riesenrad.

Als wir an einer roten Ampel warten, hält ein Mann mit cooler Sonnenbrille und ernster Miene in seinem giftgrünen Lamborghini neben uns. Er lässt die Scheibe herunter und schaut uns mit ernster Miene an. Dann hält er seinen Daumen hoch und sagt: „Nice bikes.“ Damit haben wir nicht gerechnet und geben das Kompliment an ihn und sein Auto mit einem Augenzwinkern zurück.

Nach unserer kurzen Exkursion durch Chicago verlassen wir die Stadt auch schon wieder – lebendig und mit einem guten Gefühl. Wir erleben Chicago als bunt und aufgeschlossen und sind froh, diese Stadt in unsere Route eingebaut zu haben. So spontan finden wir leider keine günstige Übernachtungsmöglichkeit in der Stadt und so fahren wir an diesem Abend noch in den kleinen Vorort, Rockfort.

Die kommenden Tage gestalten sich relativ ähnlich: Wir klemmen uns früh morgens auf unsere Bikes und fahren grade Straßen gesäumt von hochstehenden, güllegedüngten, schier unendlichen Maisfeldern entlang. Der Asphalt ist so rau, dass man förmlich hören kann, wie er die Reifen auffrisst. Nach rund 2.000 gefahrenen Kilometern auf schnurgrader Straße scheinen unsere Reifen so eckig zu sein, dass wir die Motorräder beinahe ohne Ständer abstellen können. Um Abhilfe zu schaffen, wird ab sofort nur noch im Slalom um die mittleren Fahrbahnmarkierungen gefahren.

Nach einem langen Fahrtag durch South Dakota kreieren die Sonne und die Wolken am Abendhimmel ein gigantisches Bild und eine einzigartige Stimmung, und entschädigen so dafür, dass wir nicht mehr wissen, wie wir sitzen sollen.